Rede der Fraktionsvorsitzenden zum Kreishaushalt 2023

Christine Dohmann
Christine Dohmann

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Herr Landrat,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

hier in diesem Raum blicke ich auf gut 70 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die mit durchaus unterschiedlichen Vorstellungen für positive Entwicklung in ihrer Stadt und im Kreis Recklinghausen arbeiten. Wer von uns hat vor einem Jahr geahnt, welche Auswirkungen die Weltpolitik auf die Kommunalpolitik vor Ort haben würde? Wenn ein größenwahnsinniger russischer Diktator mit Allmachtsfantasien ein demokratisches Nachbarland überfällt, weil er dessen Existenz schlicht nicht ertragen kann, ist das nicht nur die größte europäische Katastrophe seit 1945, sondern hat auch Auswirkungen auf uns, 1500 km entfernt.

 

Der Kreis und seine zehn Städte haben mehr als 5000 Flüchtlinge im Kreis aufgenommen. Das ist unsere humanitäre Pflicht und wir tun das auch gerne, aber man muss es eben auch leisten. Diese Menschen müssen untergebracht und versorgt werden, die Kinder brauchen KiTa- und Schulplätze; wir müssen das alles auch verwalten. Hier gilt unser Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen des Kreises und der Städte, die hier mit hohem Einsatz immer wieder auch kurzfristig Unterbringungsplätze finden und den Menschen zur Seite stehen. Leider muss man befürchten, dass mit Blick auf den Verlauf des Krieges und den Winter, der dort ein ganz anderer Winter ist als hier, der Flüchtlingsstrom nicht abreißt. Das wird den Verwaltungen, aber auch der Gesellschaft vor Ort, noch einiges abverlangen.

 

Für die öffentliche Hand und für jeden einzelnen machen sich vor allem die finanziellen Auswirkungen bemerkbar. In unserem Haushalt können wir diese Kosten "isolieren", wir schieben sie also weg und legen sie in die Ecke, da wo schon die Kosten der Corona-Pandemie liegen. Aber machen wir uns nichts vor, diese "Isolierung" ist letztlich nur ein buchhalterischer Trick; wir werden diese Kosten bezahlen müssen - wir und unsere Kinder und Enkelkinder.

 

Bei den Belastungen der Verwaltung durch Krieg und Pandemie ist es die eigentliche Leistung der Verwaltung, das ganz normale Tagesgeschäft weiter zu betreiben. Trotz finanzieller Unsicherheit in Zeiten der Inflation sanieren wir weiter Schulen, Straßen, Brücken und Radwege.

 

Vor wenigen Wochen hat uns die katholische Kirche die Johannes-Kessels-Akademie in Gladbeck praktisch vor die Füße geworfen. Man habe schlicht kein Geld mehr, diese Schule zu tragen. Das muss man einfach glauben, überprüfen kann man das nicht. Der Kreistag hat im September beschlossen, die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler, die derzeit die JKA besuchen, abzusichern und springt finanziell ein. Das ist gut und richtig so, denn es geht hier um die Zukunft der Schülerinnen und Schüler. Für die FDP ist es selbstverständlich, diese jungen Menschen nicht im Regen stehen zu lassen. Über die weitere Zukunft der JKA werden wir im kommenden Frühjahr entscheiden; im Moment liegen dazu noch viel zu wenig Informationen auf dem Tisch. Allerdings muss man wissen, dass bis Weihnachten die JKA Schülerinnen und Schüler aufnimmt, die im nächsten Sommer dort ihre Ausbildung beginnen. Darunter ist ein vierjähriger Ausbildungsgang, der ein Jahr länger dauert, als die Finanzierungszusage des Kreises. Es stehen also noch sehr interessante Gespräche an. Der Leitgedanke der FDP-Fraktion ist eindeutig: Wir wollen weiter eine gute Ausbildung in Pflege und Erziehung, weil wir diese Menschen dringend brauchen und wir wollen, dass das im Kreis Recklinghausen passiert, weil wir den Jugendlichen dieses Angebot machen wollen. Die Befindlichkeiten der katholischen Kirche und ihres Sozialverbands sind für die FDP nicht entscheidungsrelevant.

 

Man kann es seit ein paar Tagen draußen sehen: Es geht jetzt endlich los mit der Sanierung des Kreishauses. Es hat ja auch lange genug gedauert. Dass auf den letzten Metern aber noch versucht wurde, dass Projekt aufzuhalten, war wirklich unanständig. Seit Monaten liegen die Pläne auf dem Tisch und kurz bevor der Bagger anrückt, fällt auf, dass tatsächlich ein paar Bäume gefällt werden müssen. Hat man diese Pläne einfach nicht zur Kenntnis genommen, nicht zur Kenntnis nehmen wollen oder war man einfach auf Krawall aus? Zum Glück leben wir in einem funktionierenden Rechtsstaat. Die FDP-Fraktion ist sehr gespannt auf den Ablauf und die Durchführung der Sanierungsarbeiten im laufenden Betrieb. Wir fürchten, dass die Belastungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung erheblich sein werden. Schon jetzt hören wir viel Unmut allein wegen des nun kleineren Parkplatzes. Auch deswegen ist es wichtig, weiterhin großzügige Regelungen für Homeoffice und mobiles Arbeiten zu haben. Setzen wir hier die guten Erfahrungen der Pandemie weiter um.

 

Unser finanzielles Sorgenkind ist und bleibt der LWL. Er wird für den Kreis immer mehr zu einem Fass ohne Boden. Haushalterisch sind wir nur damit beschäftigt, diese enormen Kostensteigerungen von unseren Städten fernzuhalten. Es gelingt uns noch mit einem Griff in die Ausgleichsrücklage, aber das wird nicht mehr viele Jahre gut gehen, denn die Mehrkosten, die der LWL uns abverlangt, resultieren nicht nur aus der Tarifsteigerung bei sozialen Berufen. Wir wissen alle, dass Klatschen nicht ausreicht.

 

Die Situation verlangt, dass der LWL sich in seinem Selbstverständnis bewegen muss. Wir müssen – so unangenehm das auch ist – endlich ernsthaft über Standards reden. Wir haben Standards, die in Berlin gesetzt, aber nicht von Berlin bezahlt werden. Das ist grundsätzlich eine sehr unkluge Konstruktion. Es gibt aber auch Standards, die der LWL sich selbst setzt, die nicht vorgegeben sind. Hier sind die Fraktionen im LWL gefordert, dort genau hinzuschauen, was brauchen wir, was ist sinnvoll und was ist eben nur nice to have, denn finanziert wird das alles letztlich von den Städten und dort ist man finanziell längst am Ende. Gegen diesen LWL kann man nicht ansparen mit einer Stunde weniger Hallenbad oder Bücherei am Tag. Wir wollen unsere Lebensqualität vor Ort nicht aufgeben. Und der Kreis wird nicht mehr lange der Puffer zwischen LWL und Städten sein können.

 

"Wir sind dem Kreis besonders dankbar, dass er in den bisherigen Eckdaten keine Abweichungen gegenüber der bisherigen, mittelfristigen Finanzplanung seiner kreisangehörigen Städte vorgenommen hat!" Dieser Satz ist aus dem Brief der Bürgermeisterin und der Bürgermeister zum Kreishaushalt. Dem ist wenig hinzuzufügen. Hier im Kreis wird solide gewirtschaftet. Wir haben einen klaren Kompass für die Zukunft unseres Kreises. Wir wollen ein starker Wirtschaftsstandort bleiben und setzen besonders auf die Zukunftstechnologie Wasserstoff, weil wir wissen, dass wir das Klima schützen müssen.

 

Hier muss ich auch ganz deutlich sagen, dass der newPark nicht, wie hier behauptet, als Damoklesschwert über dem Kreis hängt. Das Gegenteil ist richtig; er ist die große Entwicklungschance für den Kreis. Wer glaubt, dass mit diesem Projekt keine Klimaziele erreicht werden, schaut nicht gründlich in die Pläne. Ich sehe da eine gewisse Parallelität zu den Plänen zur Kreishaussanierung.

 

Beim Klimaschutz werden wir jedes Jahr besser und setzen auch vor Ort die Verkehrswende um, siehe unsere heutigen Beschlüsse zur Verlängerung und Taktverdichtung verschiedener Linien der Vestischen. Wem das nicht genug ist, der mag mit Kartoffelpüree werfen oder sich irgendwo festkleben. Der Zustimmung zur Sache ist das aber abträglich und die Verschwendung von Lebensmitteln ist auch nicht nachhaltig.

 

Die FDP-Fraktion stimmt dem Kreishaushalt 2023 mit seinen Anlagen zu.